Sieht man sich das schweizerische Verfassungsrecht allerdings näher an, kann man das Ergebnis der Volksabstimmung, unbeschadet seiner politischen Bewertung, durchaus in eine schweizerische Tradition stellen, die im „langen neunzehnten Jahrhundert" wurzelt. Einen ersten Hinweis gibt der Zusatz „neu" an dem nun mehrheitlich beschlossenen Absatz. Artikel 72 der Bundesverfassung von 1999 regelt das Verhältnis von Kirche und Staat. Tatsächlich hatte es einen dritten Absatz schon einmal gegeben. Dabei handelte es sich um einen letzten Überlebenden der Totalrevision der Bundesverfassung. Er wurde bereits ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Revision im Jahr 2000 wiederum durch eine Volksabstimmung aufgehoben. Der Absatz war ein Stück antikatholisches Erbgut aus der Bundesverfassung von 1874 und stellte die Errichtung katholischer Bistümer unter einen Genehmigungsvorbehalt des Bundes.
Die schweizer Bundesverfassung wandte sich schon immer gegen reaktionäre und vormoderne Strömungen. Die Minarettinitiative paßt dazu und ist kongruent.